Überkontrolle im Sinne eines Zuviel an Selbstkontrolle birgt diverse Risiken. Als Folge davon schneiden „Überkontrollierer“, was ihre Leistung betrifft, häufig schlechter ab als Menschen, die es besser verstehen, den „Spaßfaktor“ einzusetzen und sich die Leichtigkeit beim Handeln zu erhalten.
Dies ist Teil 6 der 10-teiligen Blog-Serie "Motivation ist machbar … aber anders als viele denken"
Warum fallen uns manche Aufgaben und Tätigkeiten leicht während uns andere richtig Überwindung kosten?
Ist unser Handeln durch die natürlichen Beweggründe unseres Autopiloten bereits ausreichend motiviert, brauchen wir keine zusätzliche Willensanstrengung. Die Willenskraft kommt dann ins Spiel, wenn wir etwas tun sollen, das unserer Motivation widerspricht. Häufig wird behauptet, dass wir unsere Willenskraft wie einen Muskel trainieren können und es nur auf die Kraft des Willens ankäme. Ein gewisser Grad an Willenskraft und Durchhaltevermögen ist sicherlich hilfreich, aber auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift! Willenskraft wird gnadenlos überschätzt! Die Fähigkeit, sich selbst zu überlisten, gegen die eigenen Bedürfnisse anzukämpfen und sich künstlich zu motivieren, kann immer nur die zweitbeste Lösung sein. Deshalb ist auch hier eine professionelle Selbstkenntnis unerlässlich.
Die eigenen unbewussten Motive richtig einschätzen
Eigentlich einleuchtend, oder? Wenn Sie mit Ihren natürlichen Motiven arbeiten, statt gegen sie, steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit immens, und Sie brauchen viel weniger Disziplin, Energie und Aufwand zur Zielerreichung. Gleichzeitig erfahren Sie durch Ihr Handeln Bestätigung und gewinnen sogar neue Energie. Sie haben weniger Stress, werden nicht von unangenehmen Gefühlen ausgebremst und haben keine kognitiven Dissonanzen zu bewältigen, weil das, was Sie wollen, mit dem, was Sie tun, weitgehend übereinstimmt. Professor Hugo M. Kehr von der TU München führt dazu aus, wie wichtig es ist, die eigenen unbewussten Motive einschätzen zu lernen. Umso besser würden wir verstehen, was uns antreibt – oder eben hemmt. „Ziele und Lebenspläne“, so Kehr, könnten wir dann „so ausrichten, dass sie vorwiegend mit den eigenen Motiven übereinstimmen. So wären weniger innere Widerstände zu befürchten, die Realisierung von Projekten fiele leichter und man würde sich auch besser dabei fühlen.“
Den "Spaßfaktor" nicht vergessen
Wenn wir Ziele verfolgen, die nicht zu uns passen und uns daher andauernd eine hohe Anpassungsbereitschaft (Willenskraft) abverlangen, steigt das Risiko für einen Misserfolg. Je mehr wir in einer derartigen Situation die Zähne zusammenbeißen, je mehr Willenskraft wir mobilisieren, desto größer ist das Risiko, dass wir uns langfristig schaden. Wenn es uns über lange Zeit gelingt, mit außerordentlicher Willenskraft unsere natürlichen Motive zu unterdrücken, wächst die Gefahr, dass wir immer mehr die Verbindung zu unseren eigentlichen Bedürfnissen verlieren – und das ist eine der Ursachen für die steigende Zahl psychischer Erkrankungen wie Depression oder Burn-out. Überkontrolle im Sinne eines Zuviel an Selbstkontrolle birgt also diverse Risiken. Als Folge davon schneiden Überkontrollierer, was ihre Leistung betrifft, häufig schlechter ab als Menschen, die es besser verstehen, den „Spaßfaktor“ einzusetzen und sich die Leichtigkeit beim Handeln zu erhalten.
Mit "authentischem Selbstmanagement" die Misserfolgsspirale vermeiden
Das besonders Gemeine daran: Obwohl wir uns in bester Absicht quälen, wirken wir auf andere weniger glaubwürdig in unserem Handeln als Menschen, die ihrem inneren Kompass folgen. Diese strahlen eine Selbstsicherheit aus, die auf andere einfach stimmig, überzeugend und authentisch wirkt. Wie wir im vorhergehenden Abschnitt beschrieben haben, sind falsche Ziele häufig der Einstieg in eine Misserfolgsspirale, die unseren Selbstwert durch fortgesetzte Misserfolgserlebnisse systematisch untergräbt! Deshalb geht es nicht darum, fremden Effizienzmaßstäben und Ego-Zielen nachzujagen. Stattdessen gilt es, unsere individuellen Ziele so zu wählen, dass sie optimal zu unseren eigenen Motiven und Bedürfnissen passen; denn dann können wir sie mit möglichst wenig Willensstärke erreichen. Hugo M. Kehr spricht in diesem Zusammenhang von „authentischem Selbstmanagement“.
Lesen Sie im nächsten Beitrag:
Wie Lernen und persönliche Entwicklung gelingen können
(Veröffentlichung: 14. Juli 2021)
=> zurück zum Einführungs-Artikel, veröffentlicht am 26. Mai 2021
=> zurück zu Teil 1 der Blog-Serie, veröffentlicht am 2. Juni 2021
=> zurück zu Teil 2 der Blog-Serie, veröffentlicht am 9. Juni 2021
=> zurück zu Teil 3 der Blog-Serie, veröffentlicht am 16. Juni 2021
=> zurück zu Teil 4 der Blog-Serie, veröffentlicht am 23. Juni 2021
=> zurück zu Teil 5 der Blog-Serie, veröffentlicht am 30. Juni 2021
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch:
Ralf China, Juergen Schoemen „Sei du selbst, sonst geht’s dir dreckig - warum Erfolg nicht mit Patentrezepten, sondern nur individuell machbar ist.“