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Belohnung und Bestrafung - Vorsicht vor Risiken und Nebenwirkungen!

In Zeiten zunehmender Internationalisierung, stärkerer Arbeitsteilung, unübersichtlicher Märkte und sprunghaften Kaufverhaltens werden Kreativität und Mitdenken immer wichtiger, doch gerade hier versagen die klassischen Anreizsysteme.

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Bild: bluebudgie auf Pixabay

Dies ist Teil 9 der 10-teiligen Blog-Serie "Motivation ist machbar … aber anders als viele denken"

Wenn wir Dinge lernen sollen, die wir gar nicht lernen wollen, kommt häufig die klassische Konditionierung über künstliche Anreize in Form von Belohnung und Bestrafung zum Einsatz. Das ist zunächst einmal sehr bequem, weil wir uns dann keine Gedanken über die eigentlichen Beweggründe eines Menschen machen müssen, sondern einfach versuchen, gewünschtes Verhalten zu konditionieren. Dieser Prozess wird häufig als Erziehung, Ausbildung oder Führung bezeichnet. Dahinter steckt, vereinfacht gesagt, die Vermutung, dass ein ausgelobter Bonus dafür sorgt, dass sich Menschen stärker anstrengen als normal, um eine Belohnung zu erhalten.

Verschiedene Wissenschaftler haben diese einfache Ursache-Wirkungs-Hypothese genauer unter die Lupe genommen und sind dabei auf erstaunliche Erkenntnisse gestoßen:

  • Unser Belohnungssystem wird vor allem dann aktiv, wenn etwas besser ist als erwartet. Unangekündigte Belohnungen wirken am stärksten. Prämienzahlungen, die nach einem guten Geschäftsjahr an alle Mitarbeiter ausgeschüttet werden, haben daher einen klar positiven Effekt. Bei einer zuvor ausgelobten Prämie ist der gefühlte Belohnungseffekt viel geringer. Darüber hinaus „besteht eine hohe Demotivationsgefahr, falls die Prämie nicht oder nicht in voller Höhe erreicht wird. Dann registriert unser Belohnungssystem nämlich, dass dieses Ergebnis schlechter ist als erwartet – und das schlägt auf die Stimmung.
  • Viel hilft leider nicht viel. Der Zusammenhang zwischen der Höhe einer Bonuszahlung und einer zu erwartenden Leistungssteigerung ist nicht linear. Während geringe Summen in der Regel einen positiven Einfluss auf die Leistung haben, führt eine Erhöhung der Bonussumme nicht zu einem Leistungszuwachs in gleichem Maße. In kontrollierten Versuchen wurde belegt, dass eine Erhöhung der Leistungsprämie von einem Tagesgehalt auf ein halbes Monatsgehalt keinen signifikanten Leistungszuwachs erbrachte. Es kommt aber noch schlimmer: Wurden sogar fünf Monatsgehälter als Prämie ausgelobt, fielen die messbaren Leistungen der Teilnehmer deutlich ab – bis hin zum Totalversagen.
  • Boni und Leistungsprämien wirken vor allem bei mechanischen Tätigkeiten, wo es auf Anstrengung und Arbeitsgeschwindigkeit ankommt. Sobald mehr kognitive Kompetenzen (Initiative und Mitdenken) gefordert werden, ist kein positiver Zusammenhang belegt – eher ein negativer: Statt die Leistung zu steigern, führten besonders hohe angekündigte Prämien dort zu deutlich schlechteren Leistungen.

Das bedeutet: Belohnung kann durchaus einen Lern- und Entwicklungsprozess unterstützen. Falsch eingesetzt, kann sie aber zu Demotivation und Belohnungsabhängigkeit führen. Setzen Sie deshalb Wenn-Dann-Belohnungen nur sparsam ein, um das Verhalten anderer Menschen zu beeinflussen, damit Sie nicht das Gegenteil erreichen. Belohnen Sie (gerade bei Schulkindern) vor allem die Anstrengung und nicht das bloße Ergebnis! Sonst besteht ebenfalls die Gefahr, Belohnungsabhängigkeit zu erzeugen.

In Zeiten zunehmender Internationalisierung, stärkerer Arbeitsteilung, unübersichtlicher Märkte und sprunghaften Kaufverhaltens werden Kreativität und Mitdenken immer wichtiger, doch gerade hier versagen die klassischen Anreizsysteme.

Für erfolgreiche Lern- und Veränderungsprozesse ergeben sich daraus drei wichtige Schlussfolgerungen:

  1. Ideal ist ein Umfeld, das unsere individuellen Entwicklungsbedürfnisse erkennt, wertschätzt und fördert.
  2. Menschen haben individuell unterschiedliche Entwicklungsbedürfnisse; deshalb wäre es vollkommen falsch und ungerecht, wenn alle gleich behandelt würden.
  3. Wenn die eigenen Entwicklungsbedürfnisse durch sozialen Druck unseres Umfelds gedeckelt werden, verursacht das Schmerzen und führt zu einer Hemmung unserer persönlichen Entwicklung.“ 

Ziel sollte sein, Menschen langsam, aber sicher auf ein Niveau zu führen, auf dem kleine und große Belohnungen nicht mehr nötig sind. Dieses Niveau nennt sich Selbstmotivation oder Selbstwirksamkeit. Die Menschen wissen dann, was sie können, setzen sich realistische Ziele, kontrollieren eigenständig den Erfolg ihrer Tätigkeit, ertragen Kritik und sind positiv gestimmt. Aber klappt das bei jedem oder gibt es auch von Grund auf faule Menschen, die sich nicht selbst motivieren können und ständig Belohnung von außen brauchen wie Süchtige eine Droge?

Zwar sind das Macht- und Leistungsmotiv bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt, aber die Analogie mit dem Süchtigen macht eines deutlich: Häufig werden Menschen erst faul gemacht, weil Selbstmotivation durch Fremdmotivation (Belohnung/Bestrafung) ersetzt wurde.

Lesen Sie im nächsten Beitrag: 

Warum unser Gehirn immer lernt - aber nicht immer das, was es soll

(Veröffentlichung: 4. August 2021)

 

=> zurück zum Einführungs-Artikel "Motivation ist machbar, aber anders als viele denken", veröffentlicht am 26. Mai 2021

=> zurück zu Teil 1 "Wie werden Menschen so wie sie sind?", veröffentlicht am 2. Juni 2021

=> zurück zu Teil 2 "Der genetische Code der Persönlichkeit", veröffentlicht am 9. Juni 2021

=> zurück zu Teil 3 "Balance oder Burnout?", veröffentlicht am 16. Juni 2021

=> zurück zu Teil 4 "Was Menschen wirklich antreibt?", veröffentlicht am 23. Juni 2021

=> zurück zu Teil 5 "Go Great" veröffentlicht am 30. Juni 2021

=> zurück zu Teil 6 "Wir müssen nur wollen", veröffentlicht am 7. Juli 2021

=> zurück zu Teil 7 "Wie Lernen und persönliche Entwicklung gelingen", veröffentlicht am 14. Juli 2021

=> zurück zu Teil 8 "Was wirkt besser: Die sanfte oder die harte Tour?", veröffentlicht am 21. Juli 2021

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch: 
Ralf China, Juergen Schoemen „Sei du selbst, sonst geht’s dir dreckig - warum Erfolg nicht mit Patentrezepten, sondern nur individuell machbar ist.“